Ökologisches Wohnprojekt Lichte Weiten in Berlin: 75% weniger Verbrauch

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Foto: Ruth BergmannWie kann der Ressourcenverbrauch massiv reduziert werden und gleichzeitig ein hoher Lebensstandard gewährleistet werden? Wie kann man alte Bausubstanz nutzen, und gleichzeitig mit ca. 75% weniger Wasser, Abwasser, Wärme, Strom, Müll und Baumaterialien auskommen und dabei gemeinschaftliches Wohnen in einer anonymen Großstadt realisieren?

Im Rahmen des Wohnprojektes Lichte Weiten in Berlin wurden diese Herausforderungen angenommen. Seit Dezember 2008 wird das sanierte Haus mit vier Generationen bewohnt.

von Daniel Kubiak und Irmina Körholz

Wer wohnt im Mehrgenerationenhaus Lichte Weiten?

Die Bewohnerinnen und Bewohner von Lichte Weiten sind 5 kleine Kinder (2 bis 3 Jahre) und 17 junge und ältere Erwachsene zwischen 18 und 79 Jahren. Sie lassen sich bewusst auf eine verbindlichere Lebensform ein, um der Anonymität der Großstadt etwas entgegen zu setzen. Seit dem Einzug im Dezember 2008 leben sie zusammen in eigenen Wohnungen und in Räumen für alle. Insgesamt leben vier Generationen in dem Haus zusammen.
Miteinander entwickeln sie das Konzept gemeinschaftlichen Lebens in der Wönnichstraße 104 weiter.

Foto: Ruth BergmannDas Haus

Das Wohngebäude von 1900 stand vor der Sanierung über 15 Jahre leer und befand sich in einem extrem schlechten Zustand.
Die Wohnfläche beträgt nach Sanierung rd. 800 m² mit 11 Wohnungen von rd. 37 – 91 m². Eine Wohnung (72 m²) und ein Gewächshaus (17 m²) dienen der gemeinschaftlichen Nutzung.
Das Grundstück gehört der Stiftung Trias, Gemeinnützige Stiftung für Boden, Ökologie und Wohnen. Der Verein Lichte Weiten e.V. hat mit der Stiftung einen Erbpachtvertrag geschlossen und hat damit die vollständige Verfügung über Haus und Grundstück. Er kann das Haus aber nicht ohne Zustimmung der Stiftung verkaufen.

Nachhaltig und gesund Wohnen

Ein anspruchsvolles, ökologisches und gesundheitsförderndes Gebäudekonzept ist integraler Bestandteil des Musterwohnprojekts Lichte Weiten. Zielsetzung war es, in den Bereichen Energie (Wärme & Strom), Wasser, Abwasser, Müll und Baumaterialien eine Reduzierung des Verbrauchs um 75% oder mehr (Faktor 4+) zu erreichen.

Zum ökotechnischen Konzept gehören:

  • die eigene Wasserklärung auf dem Grundstück,
  • die Aufbereitung von Regenwasser (und Grauwasser) zu Trinkwasser und Verwendung z.B. zum Duschen,
  • eine Photovoltaik-Anlage zur Stromerzeugung von 8,8 kWp
  • eine weitgehend CO2-neutrale Beheizung und Warmwasserbereitung mit Solarthermie, Holz-Pellets, und für Notfall Gas
  • ein sehr hoher Dämmstandard mit diffusionsoffenem Material,
  • eine Heiz-Energieeinsparung im Bestand von 50% unter der Energieeinsparverordnung für Neubau
  • die Verwendung umwelt- und gesundheitsfreundlicher Baustoffe,
  • eine naturnahe Gartengestaltung mit Bio-Nutzgarten und einheimischen Obst- und Gemüsesorten.

Das Gebäude erfüllt auch die Voraussetzungen für ein sozial nachhaltiges Wohnen. Menschen aller Altersgruppen und Lebenslagen sollen langfristig im Haus wohnen können, auch bei persönlichen Veränderungen wie z.B. Familienzuwachs, Wegzug von Kindern oder Trennungen sowie bei körperlichen Einschränkungen, die besondere bauliche Bedingungen erfordern.

Zum sozial nachhaltigen Konzept gehören:

  • Wohnungsgrößen zwischen 1 und 4 Zimmern mit vorgesehenen Möglichkeiten, Wohnungen zusammen zu legen, zu verkleinern, zu tauschen oder einzelne Zimmer dazu zu mieten
  • Vollständig rollstuhlgerechte Hochparterre-Etage mit einer 2-Zimmer-Wohnung und den Gemeinschaftsräumen der Hausgemeinschaft
  • Barrierearme bis barrierefreie Gestaltung aller Wohnungen auf allen Etagen
  • Vorrüstung eines Aufzugs, der bei Bedarf außen vor die Balkone gebaut wird
  • Ausstattung der Wohnungen (fast) ohne Schwellen, mit breiten Türen, teils bodentiefen Fenstern oder niedrigen Brüstungen, barrierearmen Bädern mit bodengleichen Duschen und Wandverstärkungen zum Einbau von Haltegriffen etc.

Wohnkosten

Die Bruttowarmmiete liegt bei etwas mehr als 7,50 € je Quadratmeter Wohnfläche im Monat.
Darin enthalten sind 6,07 € Mietkosten und eine Vorauszahlung für Betriebskosten inkl. einer Umlage für die ökotechnischen Anlagen von 1,50 € je Quadratmeter und Monat. Die erste Betriebskostenabrechnung für das Projekt wird gerade erstellt. Die tatsächlichen Betriebskosten liegen voraussichtlich unter den Vorauszahlungen.

Projektbeteiligte

  • Bauherr:
    Lichte Weiten e.V., Wönnichstraße 103, 10317 BerlinT. 030 – 514 899 38, E. mail@lichte-weiten.de
  • Planung, Projektsteuerung, Ökotechnische Gesamtkonzeption, Gruppenbegleitung:
    Dr. Beetstra + Körholz, Wönnichstraße 103, 10317 Berlin
    T. 030 – 514 899 38, E. planung@lichte-weiten.de
    mit Werner Nasahl, 10243 Berlin, Bauleitung
  • Ergänzende Beratung Energie und Fachplanung Gebäudetechnik:
    AKUT Solar- und Haustechnik GmbH, 13355 Berlin
    LUBS GmbH, 03185 Turnow

Foto: Ruth BergmannDer Nachbarschaftsgarten

Zentraler Bestandteil des Konzepts für das Wohnprojekt Lichte Weiten ist ein 1.800 m² großer Grundstücks übergreifender Nachbarschaftsgarten mit dem Namen „Grüne Weiten“ in Kooperation mit einigen Nachbarhäusern der HOWOGE Wohnungsbaugesellschaft. Unter dem Thema „Essbare Landschaft“ hat Lichte Weiten den Garten gemeinsam mit Menschen aus der Nachbarschaft in mehreren Planungsrunden gestaltet. Nutzgarten, Spiel- und Erholungsflächen stehen nun sowohl Anwohner/innen als auch Menschen aus der näheren Umgebung zur Nutzung zur Verfügung. Die Bewirtschaftung erfolgt unter ökologischen Gesichtspunkten. Ein zum Teil in Eigenleistung entstandener offener Nachbartreff gibt Raum für unterschiedliche Kiez orientierte, soziokulturelle Angebote für Jung und Alt.

Der Verein Lichte Weiten e.V.

Hauptziel des Vereins Lichte Weiten e.V. ist die Unterstützung und Verbreitung von gemeinschaftlich und ökologisch orientierten Wohnprojekten. Das Lichte Weiten-Wohnprojekt in der Wönnichstraße 104 dient als Modell des Vereins und Anschauungsobjekt. Gemeinsam mit dem Nachbarschaftsgarten Grüne Weiten bietet es die Möglichkeit, interessierten Menschen aus In- und Ausland die sozialen, ökologischen und ökonomischen Vorteile dieser Wohn- und Lebensform in Theorie und vor allem Praxis nahe zu bringen.
Der Verein wurde im März 2005 gegründet. Mitglieder sind Menschen, die die Entwicklung und Verbreitung von Umwelt entlastenden Gemeinschafts-Wohnprojekte fördern wollen. Alle Bewohnerinnen und Bewohner der Wönnichstr. 104 sind Vereinsmitglieder.

Websites

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