Regionalladen leicht gemacht – Krumme Gurke Eberswalde
Als ich das erste mal von dem Regionalladen erfahre, stehe ich vor einem auffälligen DIN A3 Plakat im Foyer des Campus’ der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde. Es ist weniger jenes dezentes gelb der Plakatgrundfarbe, denn mehr der viele Platz, die Reduktion auf das Wesentliche. Eine Eigenschaft, die mir später wieder begegnen wird. Die einfache und klare Botschaft des Plakates lautet: „regional + saisonal“ und „erzeugernah + ökologisch + transparent + verantwortungsbewusst“. Natürlich gehöre ich als Student einer „grünen Hochschule“ zur Zielgruppe. Unweigerlich sinniere ich über eine zukunftsträchtige stabile Wirtschaft mit (möglichst) regionalen und geschlossenen Kreisläufen. Neugierig beschließe ich für den nächsten Tag einen Besuch des Ladens „Krumme Gurke“.
So nah, so besonders
Strategisch günstig gelegen zwischen Stadt- und Waldcampus der Fachhochschule, gibt es hier im Wohn-Quartier keine weiteren Einkaufsmöglichkeiten. Bekanntheit und Kundenstamm wachsen langsam aber stetig. Vor nicht ganz drei Monaten eröffnet, befindet sich der nur etwas mehr als 20 qm große Laden von Natalie Franz noch in der Startphase. Neben Empfehlungen, Flyern und Plakaten trägt auch sicher der Zeitungsartikel der Regionalpresse zur Bekanntheit bei. So brachte der Artikel sogar einen neuen Kontakt zu einem hiesigen Lieferanten für Kalbsfleisch. Einen anderen Kontakt vermittelte ihr ein Kunde, so dass es bald auch Tee im Angebot geben wird. Aber auch die aktive Suche der Ladeninhaberin nach regionalen Produkten schafft eine Nachfrage, die bei den Erzeugern nachhaltig wirkt – so steigt die Zahl der Produktangebote.
Die meisten von Natalie Franz’ Lieferanten befinden sich innerhalb eines Radius’ von einer gefühlten halben Autostunde. Einige sitzen direkt hier in der Stadt. Jeder freut sich über einen (weiteren) Vertriebskanal, und die Kunden freut’s, dass sie hier nicht nur hochwertige Grundnahrungsmittel bekommen. Denn im Sortiment finden sich zahlreiche Spezialitäten wie Biersenf aus Wandlitz, feiner Kräuteressig oder Schlehenlikör aus Danewitz. Ebenso empfehlenswert sind zur Weihnachtszeit die Dominosteine einer Eberswalder Feinbäckerei. Im Supermarktregal wird man eine feine Auswahl dieser Art und Qualität vergeblich suchen.
Leichter als gedacht
Neben all den notwendigen Recherchen, ging der Ladeneröffnung eine intensive ca. dreimonatige Vorbereitung voran. Das erforderliche Fachwissen hielt sich in überschaubaren Grenzen – ein wenig Lebensmittelhygiene, Einnahmen-Überschuss-Rechnung und Wissen um der Handelsklassen. Bei letzterem sind die Behörden recht pingelig. Was für das Wissen gilt, gilt hier auch für Finanzierung. Frau Franz musste nicht einmal einen Kredit aufnehmen. Etwa vierzig Prozent kamen als Förderung vom Jobcenter und der Rest aus privater Tasche. Die größte Investition, finanziell wie auch räumlich, ist ein Fasskühler im Hinterraum. Dieser dient eigentlich der Aufnahme von sechzehn Bierfässern, ersetzt hier aber eine Kühltruhe als Vorratslager. In einem Lebensmittelgeschäft offenbart das Raumwunder eben ganz andere Talente. Der Laden selbst befindet sich in einer ehemaligen Fleischerei. Die floralen Motive seiner 120 Jahre alten Wandkacheln verleihen ihm eine ganz besondere Ästhetik.
Perspektiven im Wandel
Angefangen hat alles damit, dass Natalie Franz und ihr Freund vergeblich nach deutschen Zwiebeln suchten. Und so fuhren sie übers Land, von Dorf zu Dorf, um sie zu finden. Allerdings fanden die beiden noch sehr viel mehr. Das Land offenbarte seinen kulinarischen Reichtum. Am Ende des Studiums „Landschaftsnutzung und Naturschutz“ tat sich eine wahre Alternative auf – Nachhaltigkeit zum anfassen. Denn kurze Wege und Kleinhersteller seien ihr sehr wichtig. Die Idee für den Laden war geboren.
Was den Namen des Regionalladens betrifft: „Krumme Gurke“ kommt nicht von ungefähr. Wie heute alles nur erdenkliche durch die EU genormt ist, so war es auch einst die Gurke. Eine EU-Regelung schrieb für die Norm-Gurke eine Krümmungsgrenze vor. Dieser Unsinn hat immerhin für dieses Gemüse ein Ende. Dafür möchten Natalie Franz und ihr Freund ein Zeichen setzen: „Die krumme Gurke setzt sich durch!“ Was zählt, ist naturbelassene Qualität. Und die kann man eben schmecken.
Made in Barnim
Es ist eine einfache, aber wirkungsvolle Idee: Ein Laden, der ausschließlich regionale Produkte verkauft. Er ist resilient, also stabil gegenüber äußerer Störungen. Solch eine Störung könnte eine Ölkrise sein, wie wir sie Anfang der 1970er Jahre hatten, oder spätestens wenn in naher Zukunft der Ölpreis in Schwindel erregende Höhe schnellt. Denn dann kann eine Supermarktkette keine Kartoffeln mehr aus Ägypten und Paprika aus Israel zu einem Spottpreis anbieten. Aber schon heute ist eine Renaissance regionaler Produkte wahrzunehmen – wenn auch diese nicht ganzjährig verfügbar sind.
Desweiteren ist solch ein Geschäft äußerst nachhaltig in sozialer, ökologischer wie auch ökonomischer Hinsicht. Fast die gesamte Wertschöpfungskette befindet sich im Landkreis Barnim. Schenkt man jedem Glied dieser Kette die nötige Aufmerksamkeit, so zeigt sich, dass eine Liaison zwischen Erzeugung, Verarbeitung/Veredelung, Dienstleistung und Handel ein erhebliches Potential für lokale Wertschöpfung und Arbeitsplätze im ländlichen Raum bietet.
Kurze Wege wohin man schaut, auch nach Haus. Vom Laden aus sind es für Natalie Franz nur zwei Minuten zu Fuß – ein echter Heimvorteil.
Kontakt
„Krumme Gurke“
Inhaberin: Natalie Franz
Ruhlaer Straße 1, 16225 Eberswalde
Barnim, Brandenburg, Deutschland
krummegurke@freenet.de
Tel. 0152 – 02 81 95 40
Wissenslandkarte
Mindmap Regionalladen (PDF)
Einschätzung der Regionalen Innovation
Zukunftsfähigkeit | |
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Wirtschaftliche Dimension der Nachhaltigkeit | |
Weitestgehend geschlossene regionale Wertschöpfungskette. Ladenerweiterung mit zusätzlichen Produkten + Services geplant. | |
Ökologische Dimension der Nachhaltigkeit | |
Naturnahe bzw. organische, regionale und saisonale Landwirtschaft. | |
Soziale Dimension der Nachhaltigkeit | |
Enge Lieferanten- und Kundenbeziehung. Sehr bequeme Nahversorgung im Quartier, v.a. auch für ältere Anwohner. Auswahl der Lieferanten nach sozialen Maßstäben. | |
Ressourcenschonend | |
Minimaler Energieverbrauch für Warenlieferungen aus regionaler Produktion. Minimum an Verpackungsmüll. | |
Resilienz | |
Hohes Verantwortungsbewußtsein für das eigene, partiell familiengeführte Geschäft. Kurze Arbeits- und Transportwege mit deutlich geringerer Energieabhängigkeit als bei Supermärkten. Kein Personal. Kundennähe. | |
Transparenz | |
Laden ist sehr überschaubar. Kunde erhält sämtliche Produktinformationen, und kann die Hersteller besuchen. Es gibt bundesweit ähnliche Konzepte zum nachahmen. |